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Heimchen am Herd?

Ist es gut oder schlecht, dass das Betreuungsgeld jetzt gekippt wurde?

Ich hasse den Herd! Das schon mal gleich vorweg. Ich gehöre nicht zu der Sorte Mamas, die ihre Erfüllung beim Backen oder Kochen finden. Manchmal tue ich es ganz gern, aber mit einem quengelnden Kleinkind im Hintergrund gerate ich schon mal unter Stress. Obwohl der Herd nicht mein Lieblingsplatz ist, habe ich sie selbst kassiert, die umstrittene Herdprämie, offiziell Betreuungsgeld genannt. 150 Euro gab es bisher für Eltern, die ihr Kind zwischen dem 15. Und 36. Monat zu Hause betreuen, statt es in eine Kita zu schicken. Letzte Woche Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht in einem einstimmigen Urteil entschieden, dass der umstrittene Zuschuss nicht rechtmäßig ist. Grund: Der Bund ist nicht zuständig, die Länder hätten entscheiden müssen.

Vom Betreuungsgeld Kippen kaufen?
Als ich die Meldung gelesen habe, hatte ich gemischte Gefühle. Zuerst dachte ich: „Sehr schade für die Eltern, die gerade das Betreuungsgeld beziehen und in ihrem Budget fest damit rechnen!“ Sie haben jetzt eventuell schon wieder eine Finanzsorge mehr oder können ihrem Kind weniger kaufen. Im Vorfeld gab es oft negative Berichterstattung zum Thema Betreuungsgeld. Das Hauptargument der Gegner: Kinder aus sozial schwächeren Familien und von Migranten würden dann eher vom Kindergarten daheim bleiben, weil die Eltern lieber das Geld kassieren. Einmal war sogar eine Karikatur in der Zeitung, in der die Mutter vom Betreuungsgeld Alkohol und Zigaretten kaufte. Daraufhin brach bei den Leserbriefen ein Sturm der Entrüstung los. Beinahe hätte ich mich auch beteiligt. Mein Elterngeld lief letztes Jahr im November aus, das heißt, ich bekam im Oktober das letzte Mal Geld. Ursprünglich hatte ich das so gar nicht auf dem Schirm. Eigentlich gibt es damit ja gar nicht 12 Monate Elterngeld, denn in den ersten Wochen der Geburt erhält man ja noch Mutterschutzgeld und das wird dann mal schön als zu den 12 Monaten gehörig angesehen. Insofern also eine Mogelpackung! Aber beschweren wir uns mal nicht, das Elterngeld ist eine Super-Sache und ich bin froh, dass es das gibt. So kann man sich die Zeit nehmen, sein Baby zu betreuen, ohne sich um die finanzielle Seite zu viele Gedanken zu machen.

Leichter 50er-Jahre-Flair
Als das Elterngeld schließlich ausblieb, fühlte ich mich schon komisch, nur mit dem Kindergeld und ansonsten so ganz ohne eigenes Einkommen. Dabei waren wir in der sehr komfortablen Lage, eine Weile nur mit dem Geld von Papa Majsan auszukommen. Trotzdem war ich es bisher immer gewohnt, selbst Geld zu verdienen. Eigentlich wollte ich auch nach dem ersten Jahr wieder arbeiten gehen, aber Mima erschien mir noch sehr klein und ich wollte sie noch ein paar Monate länger zu Hause betreuen. „Beantrage Betreuungsgeld, das steht dir schließlich zu“, sagten Freunde. Ich tat es, wenn auch mit gemischten Gefühlen. An den Argumenten der Gegner, dass das Betreuungsgeld dazu dient, vor allem uns Frauen zu Hause am Herd zu behalten, ist irgendwie ja schon was dran. Dem haftet so ein leichter 50er-Jahre Flair an, als sich die Frau zwischen den vier Ks bewegte und unter den Ks war sicher nicht das Wort Karriere. Eventuell haben auch ein paar Familien ihre Kinder deshalb nicht in die Kita geschickt, obwohl ein Kita-Besuch für sie zur besseren Integration und Förderung gut gewesen wäre. Aber die Karikatur aus der Zeitung war doch ziemlich beleidigend: Immerhin bin ich überzeugte Nichtraucherin und habe noch nie in meinem Leben Geld für Zigaretten ausgegeben! Es waren nicht nur sozial schwache Familien, die das Betreuungsgeld bezogen haben, auch wenn das in den Medien gerne so dargestellt wurde. Ich habe auch das Betreuungsgeld bekommen und einige meiner Freundinnen ebenfalls. Und ich zähle uns definitiv nicht zu den kette-rauchenden, im Alkohol schwelgenden Kindervernachlässigern, die sich mit 150 Euro im Monat einen Karibik-Urlaub finanzieren 😉 Ich gehe davon aus, dass es meist verantwortungsvolle Eltern sind, die das Geld beantragt haben und dass die Mehrzahl nicht sozial schwach ist.

Es war einfach ein kleines Extra-Einkommen für mich. 150 Euro Betreuungsgeld plus das Kindergeld waren insgesamt etwas über 300 Euro. Das müsste man schon über ein Jahr lang ansparen, um davon den Karibik-Urlaub zu finanzieren, ohne was davon auszugeben natürlich 😉 300 Euro ist ein kleines Einkommen, aber wie schnell ist das Geld wieder weg? Ein Zoo-Besuch zu dritt mit Mima plus Eis: 20 Euro weg. Ein Kindersitz: über 300 Euro weg. Neue Schuhe für Mima: 50 Euro weg (die gleiche Summe, die für mein letztes Paar Schuhe drauf ging, nur mit 90 Prozent weniger Material, das man dafür bekommt). Was bleibt dann am Ende des Monats von den 300 Euro übrig? Allein bei einem Einkauf im Drogeriemarkt fielen zu meinen Betreuungsgeldzeiten mit Windeln und Babynahrung schon fast 100 Euro an. Das Leben ist teuer geworden! Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass die sozial schwächeren Familien sich vom Betreuungsgeld einen Mercedes gekauft haben.

Tag der Steuerzahler mittlerweile am 6. Juli
Warum habe ich das Geld damals beantragt? Weil ich die Unterstützung gebrauchen konnte und weil es mir zustand. Schließlich bezahlen Papa Majsan und ich Jahr für Jahr auch jede Menge Steuern. Wenn ich sehe, welchen Anteil die Einkommenssteuer bei meinem Gehalt ausmacht und wie die Differenz zwischen Brutto und Netto aussieht, könnte ich Tränen in die Augen kriegen. Mittlerweile ist der so genannte Tag der Steuerzahler, also der Tag, ab dem man sein Geld behalten und für sich ausgeben darf, auf den 6. Juli gerückt. Alles vor dem 6. Juli Verdiente geht für Steuern und Sozialabgaben drauf. Daran, was damit manchmal gemacht wird, darf ich gar nicht denken. Man denke an Gewehre, die bei Hitze nicht schießen oder so tolle Projekte wie den Flughafen Berlin-Brandenburg oder Stuttgart 21. Deshalb fand ich es OK, vier Mal 150 Euro monatlich vom Staat zu bekommen. Und dann noch für eine gute Sache: den Steuerzahler von morgen großzuziehen 😉

„Setzen – sechs!“
Ideologisch stand ich nicht so ganz hinter dem Betreuungsgeld. Ich bin froh, dass mein Kind heute schon ab einem Jahr in den Kindergarten gehen kann und nicht erst ab drei Jahren, wie das in meiner Kindheit noch war. Drei ganze Jahre zu Hause zwischen Babybrei, Windeln und Kochtöpfen – das wäre für mich nicht das Richtige gewesen. Ich gehe gerne arbeiten und genieße es, rauszukommen, was anderes zu sehen und ein wenig zum Familieneinkommen beizutragen. Ganz abgesehen davon, werden Fachkräfte händeringend gesucht und wir Mütter sind sehr oft nicht nur gut ausgebildet, sondern auch sehr gut organisiert. Ich möchte hier nicht die Frauen kritisieren, die sich bewusst dafür entschieden haben, für ihre Kinder zu Hause zu bleiben. Es ist schön, wenn man ganz intensiv und bewusst Zeit mit den Kindern verbringen kann und möchte! Das muss jede Mama selbst entscheiden. Ich finde das Ganze einfach sehr schlecht gemacht. Warum überprüft man nicht vorher, ob der Bund für das Betreuungsgeld zuständig ist? Da haben aber ein paar CSU-ler ihre Hausaufgaben nicht gemacht. „Setzen, sechs!“, würde es dafür in der Schule heißen. Was tun nun die Eltern, die in den kommenden Monaten fest mit dem Geld gerechnet haben? Wen oder was wollen wir in unserem Land unterstützen? Sind nicht Familien generell eine lohnende Investition?

Neben dem Betreuungsgeld müsste noch mehr in Kitaplätze investiert werden. Ich selbst war in der glücklichen Lage, sofort einen Kindergartenplatz für Mima zu bekommen. Freundinnen von mir, die in Ballungsräumen großer Städte wohnen, hatten es unendlich schwer und mussten ewig suchen, bis sie einen Platz bekamen. Das ist sehr schade, denn wenn eine Mama arbeiten will, sollte es auch die entsprechenden Betreuungsmöglichkeiten geben. Und was tun nun die Mamas, die bewusst mit ihren Kindern zu Hause bleiben und denen ein kleines Zusatz-Einkommen gut tun würde? Ganz klar! Die ziehen jetzt alle nach Bayern, weil ja der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer versprochen hat, dass dort weiter Betreuungsgeld ausgezahlt wird. Unser „Vorzeige-Bundesland“ ist also das reinste Schlaraffenland – ein Glück, dass dort die liebe, nette CSU seit 2013 mal wieder allein regiert. Darauf eine Brezn und eine Mass – Prosit!

„Vielleicht hat es ja Hunger?“

Gut gemeinte Ratschläge von ausgewiesenen „Babyexperten“

Es ist zum „Verrückt-werden“. Mima hat heute ihren „schwierigen Tag“. Weint, quengelt, nichts ist ihr recht zu machen. Das einzige, was hilft, ist, sie zu tragen. Da allerdings Mama noch andere Sachen tun muss, geht das eben nicht den ganzen Tag. Und auch die superbequemste Babytrage führt irgendwann dazu, dass sich der Rücken anfühlt, wie nach zehn Tagen Gewichtheben nonstop. Was soll ich nur tun, denn so langsam werde ich in den eigenen Wänden wahnsinnig. Da ich eh kein „Zuhause-Hocker“ bin, beschließe ich, mit dem Baby einen Stadtbummel zu machen. Vorher gebe ich Mima noch ein Fläschchen. Der Kinderwagen scheint auch eine „Zauberwirkung“ zu entfalten. Sie schläft ein und ich kaufe im Drogerie-Markt ein (eigentlich könnte man dort einen Babytreff einrichten, da viele Mütter regelrechte „Stammgäste“ sind).

Als ich mitten in einer schwierigen Kaufentscheidung stecke (lieber ein Kuscheltier oder eine Spieluhr für das Baby einer Freundin?), wacht Mima auf und weint. Ich lege Kuscheltier und Spieluhr zurück und rede sanft auf sie ein. Aber sie lässt sich nicht beruhigen. Dann greife ich zum Schnuller. Auch keine Lösung! Schließlich nehme ich sie auf den Arm und ernte dabei schon Blicke von anderen Kunden. Auch so geht es nicht lange gut. Jetzt muss ich anfangen zu singen und sie rumschaukeln – sehr schön vor Publikum, vor allem, wenn man so musikalisch ist wie ich.

Auf einmal kommt eine ältere Dame auf mich zu. Sie blickt mich aus ihren mitleidigen Augen an und sagt: „Kann es sein, dass der Kleine vielleicht Hunger hat?!?“ Nein, also wirklich, da wäre ich jetzt nie drauf gekommen, normalerweise kriegt DIE Kleine nämlich pro Woche nur einmal Futter. Genau das hätte ich jetzt gerne geantwortet, denn der Stresspegel ist durch das dauerweinende Kind vor Publikum eh schon am oberen Ende angelangt. Stattdessen entgegne ich höflich: „Nein, das kann nicht sein. SIE hat erst vor einer halben Stunde 250 ml getrunken, es ist nämlich ein Mädchen.“ Da käme auch eine Mutter niemals drauf, dass das Kind Hunger haben könnte! Vor lauter Frust entscheide ich mich schließlich für die Spieluhr UND das Stofftier, lege Mima trotz Weinen zurück in den Wagen und bezahle. Weil vor lauter Einkäufen in den Taschen am Kinderwagen kein Platz mehr ist, lege ich beides einfach zum Kind. Und siehe da, sie nimmt das Spielzeug, beschäftigt sich damit und ist zufrieden. Da merke ich: Nicht das Kind, sondern die Mama hat Hunger! Und so ist mit einem zufriedenen Kind im Wagen sogar noch ein Eis für die Mama drin. Cool bleiben während der Diskussion mit „Besserwisser-Omis“ hat sich also gelohnt.