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Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Verrückter Wochenend-Ausflug einer Mama – ohne Mann und Kind

Manchmal muss man ein bisschen „crazy“ sein, um was Schönes zu erleben. Und kleine Pausen vom Mama-Dasein wirken wahre Wunder. Für unser neues Theaterstück im November ist ein Film geplant. Und den wollten wir an interessanten Original-Schauplätzen drehen. Am vergangenen Sonntag stand deshalb eine Tagesfahrt nach Berlin in meinem Terminkalender (ohne Familie, dafür aber mit den „Theaterleuten“). Verrückt insoweit, als Berlin nicht gerade um die Ecke liegt. Morgens um 6 Uhr los und am frühen Montag um 1 Uhr nachts wieder daheim klingt nach einem anstrengenden Tag. Für mich als Kleinkind-Mama war es aber eine echte Erholung: Einen ganzen Tag unterwegs sein ohne Kind – das bedeutet Freiheit. Mima wusste ich bei Papa, Onkel und den Großeltern in den besten Händen.

Gut gelaunt starteten wir zu viert zu einer mehrstündigen Zugfahrt. Im Gepäck hatten wir neben der Kamera, Sonnenbrillen und unseren Kostümen auch vier Cityroller, mit denen wir durch die Innenstadt fahren wollten. Ich war erstaunt, wir konnten uns in Ruhe unterhalten. Ich durfte tatsächlich ganze Sätze zu Ende sprechen, ohne plötzlich aufzuspringen oder ohne dass jemand dazwischen gebrabbelt hätte 😉 Von fern hörte man mal ein Kind weinen: „Zum Glück nicht meins!“, dachte ich mit einem breiten Grinsen und lehnte mich im Sitz zurück.

Mit einer Stunde Verspätung kamen wir schließlich gegen 13 Uhr in Berlin an. Ich war zwar schon ein paar Mal dort, stieg aber zum ersten Mal im 2006 eröffneten Hauptbahnhof aus. Ich war beeindruckt von dem riesigen Glasgebäude und der unmittelbaren Nähe zum Regierungsviertel. Kaum angekommen, klappten wir unsere Cityroller auf und düsten los. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß es macht, mit so einem kleinen Roller durch die Gegend zu fahren. Ich freute mich wie ein Kind über die Bewegung nach der langen Zugfahrt und den Rest des Tages, der mit seinen Sehenswürdigkeiten und Dreharbeiten noch vor uns lag. (Wenn Mima mal Laufrad fahren kann, muss ich mir unbedingt so einen Roller kaufen – dann haben wir geteilte Freude 😉

Unsere erste Station führte uns am Kanzleramt vorbei zur Wiese am Reichstag. Wir drehten ein paar Szenen und rollten weiter zum Brandenburger Tor, wo wir wieder die Kamera zückten. Danach bekamen wir Hunger und wollten uns berlintypisch mit einer Currywurst stärken. Ein schönes Lokal mit einer riesigen Bücherwand bot sogar eine literarische Currywurst an – das klang gut! Wir bestellten erst mal Getränke und warfen einen Blick in die alten Bücher, die – passend zum Literatur-Stil – auf dem Tisch lagen. Zuerst kam die Bedienung mit Brot und ich dachte automatisch: „Gott sei Dank! Erst mal Ruhe!“ Dann fiel mir ein: „Mima ist gar nicht dabei, wir können hier so lange sitzen, wie wir wollen!“ Naja und dann saßen wir und saßen und saßen länger als wir wollten, die Currywurst kam nicht. Irgendwann wurde uns auch ohne Kind das Warten zu lang und wir fragten nach. „Ah, tut uns leid, det haben wa verjessen!“, war die lapidare Antwort. Schade, denn neben dem Literarischen hätten wir wirklich gern noch was Kulinarisches genossen.

Rund um den Fernsehturm und das Rote Rathaus sieht es im Moment "wüst" aus, denn hier wird das U-Bahnnetz weiter ausgebaut

Rund um den Fernsehturm und das Rote Rathaus sieht es im Moment „wüst“ aus, denn hier wird das U-Bahnnetz weiter ausgebaut

Mit hungrigen Bäuchen fuhren wir weiter Richtung Unter den Linden und Gendarmenmarkt. Dort entdeckten wir ein wahres Paradies, das unsere Herzen höher schlagen ließ: Einen riesigen Laden voll mit Schokolade: Balsam und Nervennahrung für jede Mama-Seele 😉 Vor lauter süßen Verführungen wusste ich gar nicht, wo hinschauen und was auswählen. Wir nahmen verschiedene Trinkschokoladen to go – ein Traum im Pappbecher! Dann entschied ich mich schließlich für Schokostangen verschiedener Geschmacksrichtungen, einen Schokololly für Papa Majsan und ein Schoko-Berlin-Bärchen für Mima.

„Was sie jetzt wohl gerade macht? Ob sie ihren Mittagsschlaf hatte? Ob sie ein neues Wort gesprochen hat?“ – Trotz eines Tages „in Freiheit“ musste ich ziemlich oft an Mima denken. Ich ertappte mich dabei, dass ich in jeden Kinderwagen schaute oder, wenn ich kleine Kinder sah, dachte: „Ach wie schön! So eine kleine Maus habe ich auch!“ Obwohl ich den Tag sehr genoss, hatte ich doch manchmal Sehnsucht nach meiner Mima und das Gefühl, dass etwas fehlt.

Unsere letzte Station führte uns an den Alexanderplatz vor den Fernsehturm. Dann rollerten wir die ganze Strecke zurück bis an den Hauptbahnhof. Dort meldeten sich unsere currywurstfrei gebliebenen Mägen. Und was passt bei Zeitmangel besser als eine andere „Berliner Spezialität“? Klar, wir genehmigten uns auf dem Bahnhofsvorplatz in der Sonne noch einen Döner, der soll ja 1972 in Berlin erfunden worden sein. Nach der Mahlzeit sah ich aus wie sonst meine Tochter. Als „gute Mama“ fand ich tatsächlich noch Feuchttücher in der Handtasche. Welch ein Glück! Und da war er wieder, der Gedanke an meine Mima. Nach meinem schönen, kinderfreien Tag fuhr ich voller Vorfreude nach Hause.

Unglückliche-Mütter

#regrettingmotherhood: Non, je ne regrette rien

Trotzdem habe ich manchmal vom Mama-Dasein die Nase voll!

„Unglückliche Mütter – sie wollen ihr Leben zurück“ lautete unlängst der Titel eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung. Der schlug so hohe Wellen, dass sogar die Tagesthemen und die örtliche Tageszeitung darüber berichteten. Für eine Studie wurden 23 israelische Frauen befragt – an sich noch keine Sensation, denn 23 Befragte sind nur eine sehr kleine Gruppe und Israel ist ja schon einige Kilometer weit weg. Aber der Inhalt birgt Zündstoff: Da sagt eine Mutter, sie hätte nur noch Schwierigkeiten und Sorgen seit der Geburt der Kinder. Eine andere kann die Glücksgefühle anderer Mütter nicht nachvollziehen.

In dem Artikel geht es um eine Studie zu einem „verbotenen Gefühl“, nämlich dem Gefühl, das Muttersein zu bereuen. Die befragten Mütter würden ihre Kinder rückgängig machen, wenn es denn ginge. „Schock, Skandal!!!“ mag man da schreien, ist es doch total in Mode, ultraglücklich zu sein, wenn man Kinder hat. Gerade auf Facebook lese ich oft Einträge, die wie folgt lauten: „Meine Kinder sind das größte Glück des Universums. Nichts und niemand kann dieses Glücksgefühl beschreiben“. Dagegen habe ich noch nie einen Eintrag entdeckt, der lautet: „Mein Kind nervt, gerade könnte ich es auf den Mond schießen“. Sowas gibt man halt öffentlich nicht zu, es ist gesellschaftlich nicht erwünscht. Als Mutter hat man das Glück automatisch gepachtet, basta! Egal, wie nervig der Nachwuchs gerade ist! Insofern hat die Studie etwas angestoßen, nämlich auch mal öffentlich über die negativen Seiten des Elternseins zu sprechen, ohne sich dafür schämen zu müssen. Das finde ich gut so, denn zum Teil wird das Elternsein in der öffentlichen Meinung regelrecht glorifiziert. Deshalb trauen sich manche Eltern wohl nicht, ehrlich zu sein, Motto: „Also bei uns ist das Abendessen immer entspannt. Unser Sohnemann konnte schon von Anfang an mit Messer und Gabel essen.“ Haha!

Und nun gebe ich – ungelogen – was Schreckliches zu: Auch ich wünsche mir manchmal mein „altes Leben“ zurück. Seit Monaten ist Mima ziemlich anstrengend. Es gibt Momente, da bin ich nicht nur erschöpft und genervt, sondern am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Die Kleinkindphase, in dem das Kind sein Ego, seinen Willen und die ganze Welt entdeckt, ist manchmal schier zum Verzweifeln. Einmal waren wir samstags einkaufen. In einem Laden gab es günstig Regenkleidung für Kinder. Leider hatte der Laden so blöde Stufen am Eingang, dass ich Mima aus dem Kinderwagen nehmen musste, sie tragen und den Wagen hinterherhieven. In dem Geschäft flitzte sie prompt überall hin und begann, die Regale auszuräumen. Mein 10-faches Nein ignorierte sie, drehte sich um und machte weiter und strahlte noch dabei. Es ging nicht anders, ich musste sie schnappen. Gleichzeitig musste ich noch den Wagen navigieren, meinen Geldbeutel holen und die EC-Karte rausfischen. Während dieses ganzen Vorgangs schrie Mima wie am Spieß und wand sich wie ein Aal in meinem linken Arm, in dem die Muskeln vor Anstrengung schon zu zittern begannen. Mir standen die Schweißperlen auf der Stirn. Nicht nur wegen der körperlichen Anstrengung, sondern auch wegen des Stresspegels. Ich hatte das Gefühl, alle starren mich an.

Genauso ging es mir in den kommenden Wochen beim Metzger, in der Parfümerie und in diversen Restaurants. Aus Mitleid grasten wir überall was ab: eine Scheibe Wurst, Gummibärchen, einen Lutscher und so weiter. Das sorgte aber nur ein paar Minuten für Ruhe, dann ging es gleich umso heftiger weiter. Manchmal wäre ich vor Scham am liebsten im Boden versunken. Die Taufe an Ostersonntag, während der wir Paten wurden, überstanden Papa Majsan und ich nur, weil wir Mima eine halbe Packung Kekse und einen Becher Trauben essen ließen. Ich weiß selbst, dass das pädagogisch nicht sinnvoll ist, wusste mir aber nicht mehr anders zu helfen. Von der anschließenden Feier hatten wir auch nicht viel, da wir immer abwechselnd mit dem Kind durchs Restaurant laufen mussten. Ich linste sehnsüchtig in Richtung eines Pärchens, das sein erstes Kind gerade erst erwartet. Sie konnten von der Vorspeise bis zum Dessert in aller Seelenruhe das köstliche Mahl genießen und sich miteinander unterhalten. Uns war dann auch ein Dessert vergönnt, allerdings nur, weil Papa Majsan mit Mima eine Runde spazieren war und sie im Kinderwagen schlief. Da konnten wir über ihren Kinderstuhl hinweg auch mal ein paar Sätze miteinander wechseln.

Ja, in solchen Momenten wünsche ich mir mein altes Leben zurück. Voller Sehnsucht denke ich daran, wie ich mir meinen Tag selbst einteilen konnte und ganz in Ruhe Dinge erledigte, ohne mich dabei abzuhetzen. Ich denke an meine Junggesellinnenwohnung, wo mich Papa Majsan besuchte und wir frisch verliebt waren. Wo wir so lange schliefen, wie wir wollten, aßen, was und wann wir wollten, uns stundenlang miteinander über tiefgreifende Themen unterhielten.

Und doch bereue ich es grundsätzlich nicht, Mama zu sein. Ich habe mir schon immer ein Kind gewünscht. Und nun ist mit Mima mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen. In einem Erziehungsratgeber, den ich neulich gelesen habe stand: „Niemand kann einem ein so großes Glücksgefühl oder auch ein Gefühl unendlicher Verzweiflung bereiten wie das eigene Kind. Denn es ist der Mensch, der einem am nächsten steht“. Dieser Satz hat mich sehr berührt und auch beruhigt, denn er trifft ziemlich genau meine Gefühle. Anette von Herzgespinst hat auch über die Ambivalenz des Mama-Daseins gebloggt. Sie schreibt in ihrem Beitrag, dass sie ihre Kinder liebt, aber das Konzept der Mutterschaft selbst „nicht ihrs“ ist. Sie braucht Alleinsein, Freiheit, ist eine Nachteule und hält sich nicht gern sklavisch an Termine. Ich stimme ihr in allen Punkten zu. Mir geht es genauso. Manchmal frage ich mich, was ich früher mit all meiner Zeit angefangen habe vor Mima.

Ich frage mich aber auch, wie es wäre, wirklich kein Kind zu haben. Klar hat man alle Freiheiten und kann weggehen, so oft und so lange man will. Aber ist das die Erfüllung? Nein! Denn irgendwann war das viele Weggehen langweilig geworden. Außerdem gewinnt man mit Kind (neben dem Kind an sich natürlich) viele schöne Dinge im Leben dazu: Zum Beispiel findet man ziemlich schnell Freunde. Wenn wir unterwegs sind, komme ich mit wildfremden Menschen ins Gespräch, nur weil Mima ihnen freundlich zuwinkt. Ich bekomme Komplimente für mein „süßes Kind“, wenn es sich nicht gerade benimmt wie oben beschrieben. Außerdem habe ich beim Schwangerenyoga, bei Kursen und im Kindergarten viele Kontakte und sogar wertvolle Freundschaften geknüpft. In der Elternzeit habe ich gelernt, gewisse Dinge wieder mit den Augen eines Kindes zu sehen und mehr auf mein Kind, mich und meine Umwelt zu achten, beispielsweise auf die schönen Blumen, die auf dem Spielplatz blühen oder darauf, wie sich Sand in den Händen anfühlt.

Ich sehe, wie Mima mit großer Freude und strahlenden Augen ihr erstes Eis verspeist. Ich merke, wie sie immer mehr versteht, ihre Schuhe schon selbst aus dem Schrank holt und neben den Worten „Mama, Papa, Ball und Wauwau“ jetzt auch „Schuhe“ sagt. Dann bin ich unendlich stolz und freue mich mit. Ich genieße es, sie an den Tagen, an denen wir keine Termine haben, noch ein bisschen in unser Bett zu holen. Neulich wollte ich sie vom Kindergarten abholen. Sie war ganz ins Spiel vertieft. Als ich aber ihren Namen rief, sah sie sofort auf. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie stand auf und rannte, so schnell es ihre kurzen Beinchen erlaubten, in meine Arme und kuschelte sich ganz fest an mich. Solche intensiven Momente habe ich ohne Kind nicht erlebt. Es sind Momente, die mein Leben bereichern und mich für meine Mühen „belohnen“. Es sind Momente, in denen ich spüre, dass ich mein Kind sehr liebe und mein Kind mich wohl auch.

Deshalb: Je ne regrette rien – ich bereue nichts! Schön, dass du da bist, Mima, auch wenn du mich manchmal auf die Palme bringst.