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Hallo, Haaalllooo, Haaaaallllloooooo!

Das Kleinkind als Kommunikationsprofi?

Immer gut gelaunt und freundlich, offen und ohne Berührungsängste – so ist meine Mima zur Zeit. Vielleicht sollte ich mir an ihr ein Beispiel nehmen, denn immerhin bin ich in der Kommunikationsbranche tätig. Aber zu einem Verhalten, wie es Mima zeigt, fehlt mir einfach die Energie und an manchen Tagen schlicht die Lust. Auch ist die kommunikative Ader meiner Tochter manchmal nervig.

Egal, wo wir sind, sie grüßt jeden, aber auch wirklich jeden! Wenn wir im Dorf spazieren gehen, ruft sie laut „Hallo!“ Und wehe, derjenige achtet nicht auf sie. Dann ruft sie lauter und langanhaltender „Haaalllooo? Haaaaaallllllloooooo!!!“ Bis die Leute dann reagieren und ihr ein Lächeln oder ebenfalls ein „Hallo“ schenken. Im Dorf geht das ja noch, denn es gibt mir die Gelegenheit, mit Nachbarn oder Bekannten ein bisschen zu plaudern. Dadurch bin ich meistens in punkto Dorfleben „up to date“ 😉 Etwas anstrengender wird es dann im Supermarkt. Oft habe ich keine Einkaufsliste dabei und muss währenddessen überlegen, was ich brauche. Es kam auch schon mal vor, dass ich im Supermarkt war, die Einkaufsliste aber noch in der Küche lag oder Mima sie vor lauter Langeweile in ihre Einzelteile zerlegt hatte. Wenn sie nicht gerade eine Brezel kaut, von der wir dann hinterher nur noch die Tüte bezahlen, anfängt, aus dem Einkaufswagen zu klettern oder die reingelegten Sachen wieder rausschmeißt, spricht sie Leute an – und zwar ALLE Leute, die in dem Supermarkt sind! Manchmal ist mir das überhaupt nicht recht. Denn sie spricht auch solche an, die ich auf den ersten Blick total unsympathisch finde. Meist kommen die dann noch ganz nahe ran und machen „dutzi, dutzi“ bei meinem Kind, was mir dann noch weniger gefällt und mich noch mehr vom Einkaufen abhält.

Erstaunlich und interessant ist es aber, zu sehen, wie die Leute reagieren. Da könnte man eine regelrechte Sozialstudie machen. Als wir auf einer Reise durch die USA waren, kamen Papa Majsan und ich mit einer Supermarktkassiererin dort ins Gespräch. Sie fragte, woher wir stammen und sagte dann mit einem Unterton: „Oh, Germany! Dort ist es in den Supermärkten ganz schrecklich, weil alle Leute so extrem gehetzt sind, wenn nicht sogar gereizt.“ Später las ich ähnliche Begebenheiten im Buch von Carol Kloeppel (Dear Germany, eine Amerikanerin in Deutschland). Wieder zurück in Deutschland begann ich, mehr darauf zu achten und musste mit Schrecken feststellen, dass ich mich genauso benahm wie oben beschrieben. Der Lebensmitteleinkauf machte mich zur gnadenlosen Jägerin. Schon, wenn ich auf den Parkplatz einbog oder es regnete, schaltete ich auf chronisch schlechte Laune um. „Nur schnell, schnell alles einpacken, damit es vorbei ist“. Keine Millisekunde konnte ich warten, ich musste im Rekordtempo an alle Regale und die Sachen in den Wagen werfen. Nur ja alles schnappen und an den langsameren Einkäufern vorbei!

Viele Leute machen es ähnlich wie ich damals. Sie sehen nur sich und achten kein bisschen auf ihre Mitmenschen, die auch gerade einkaufen. Und genau diesen Leuten ruft Mima lauthals ein freundliches „Hallo!“ zu. Es ist interessant, wie Leute, die gereizt und gehetzt erscheinen, darauf reagieren. Ganz wenige beachten sie gar nicht und merken nicht mal, dass Mima sie gemeint hat, aber das ist wirklich nur die Minderzahl. Die große Mehrheit kann dem Charme eines goldigen Kleinkindes nämlich nicht widerstehen. Die Wandlung, die mit den Leuten vorgeht, wenn sie merken, sie sind tatsächlich gemeint, ist schon erstaunlich. Von einem kleinen Lächeln bis zu einem Strahlen und einem netten kleinen Gespräch mit Mima und Mama ist alles drin. Plötzlich werden auch unsympathisch erscheinende Schnäppchen-Jäger zu ganz netten Menschen und ich muss meinen ersten Eindruck korrigieren. Neulich hat sie an der Supermarktkasse dem Mann hinter mir alles Mögliche „erzählt“: Dass sie Haare hat und eine Jacke an, dass auf dem Parkplatz Autos stehen, dass ich ihre Mama bin, dass ihre Mama eine Tasche hat etc. Der Mann machte mit, zeigte ihr auch seine Tasche und erzählte ein bisschen. So ist das Warten an der Kasse recht kurzweilig.

Richtig interessant wird es aber erst, wenn wir auf den Markt gehen. Denn auch hier schreit Mima jedem lauthals ihr „Hallo“ entgegen. Gerade samstags laufen wahre Menschenmassen über den Markt. Und wenn einige von ihnen dann noch stehenbleiben, um „dutzi, dutzi“ bei dem goldigen Kind zu machen, dann kommt die Mama gar nicht mehr voran. Mittlerweile brauchen wir für unseren Marktgang eine geschlagene Stunde länger, weil Mima mit jedem in Kontakt tritt und dazu auch noch laufen will – natürlich nur in die entgegengesetzte Richtung wie ich.

Einerseits bin ich ja froh, dass mein Kind kein ängstliches Mäuschen ist, das sich permanent hinter mir versteckt. Aber manchmal wäre es mir lieber, sie wäre etwas zurückhaltender. Jemand aus der Verwandtschaft hat neulich auch einen neuen Aspekt erwähnt: Irgendwann muss sie lernen, dass sie nicht zu jedem gehen soll und nicht jeder Mensch freundliche Absichten hat. Natürlich erkläre ich ihr irgendwann in aller Deutlichkeit, dass sie niemals mit einem Fremden mitgehen oder gar in dessen Auto steigen darf. Aber noch ist es dafür zu früh. Sie versteht es eben noch nicht und geht mit ihrer kindlichen Neugier und ihrer unvoreingenommen Art auf Menschen zu, egal, wie alt sie sind, wie sie aussehen, etc. Da kann man als Erwachsener einiges davon lernen. Und die gute Stimmung, die sie verbreitet, geht oft genug auch auf mich über. Als Mama versuche ich, beim Einkauf möglichst entspannt zu bleiben und nicht mehr auf der Jagd zu sein. Das gelingt mir auch, wenn Mima mir nicht gerade Kekspackungen aufreißt oder die Tomaten auf den Boden wirft. Und wer weiß, vielleicht macht sie irgendwann ihre kommunikativen Fähigkeiten auch mal zum Beruf – Mama würde sich freuen 😉